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   Ein Buch über Tee
 Wo Tee getrunken wird

Ostfriesland

Die Ostfriesen bekamen den ersten Tee von ihren holländischen Nachbarn, die damals von ihren Grachten aus die Weltmeere beherrschten und das fernöstliche Getränk aus ihren Kolonien einführten. Mit einem tüchtigen. Schuß Rum wurde es zum Lieblingsgesöff der knorrigen Fischer zwischen Weser und Ems, am Küstenstreifen von Emden bis Wittmund. Bis heute blieb Teetrinken ein ostfriesisches Charakteristikum, Gegenstand einer besonderen, vererbten Kultur, die liebevoll aufrechterhalten wird. Die Ostfriesen sind die »Engländer,, unter den deutschen Teetrinkern. Der Bundesdeutsche verbraucht jährlich 172 Gramm, der Ostfriese dagegen schafft stolze sechs Pfund Tee, Babies und Mummelgreise inbegriffen. Auch der Spruch »Ostfriesische Gemütlichkeit hält stets ein Täßchen Tee bereit« bekräftigt es: Tägliches Teetrinken ist für Ostfriesen ein ganz unentbehrlicher Genuß. Ohne Tee keine Mahlzeit, kein Besuch, kein Klönschnack unter Nachbarn.

Wie fernöstliche Völker haben auch die Ostfriesen das Ausschenken ihres Nationalgetränkes zur Zeremonie erhoben. Man bekommt nicht einfach ein Täßchen Tee vorgesetzt, sondern »een Kopje mit 'n Kluntje un Room drin«. Wobei unter "Room" nicht etwa Rum zu verstehen ist, sondern Rahm! (na ja, manchmal findet sich auch beides drin ;-)

In den Fürstlich Waldenburgischen Manufakturen wurde das friesische Teegeschirr hergestellt, aus geriefeltem Porzellan, sehr dünnwandig; mit dem typischen blauen Muster bemalt. Die winzigen Tassen ohne Henkel hießen Kopkes. Auch die königlich Dresdner Manufaktur, besonders ihre Dependance in Wunstorf, lieferte dieses dünnwandige Porzellan, das noch heute einen Ehrenplatz in der Wohnung hat. Mit viel Sammlerglück findet man vielleicht auch noch ein herrliches Service aus chinesischem Porzellan mit ostfriesischen Familienwappen. Reiche Kaufleute und die Gutsherren auf dem Lande gaben den Emder Kapitänen, die nach China fuhren, ein Bild ihres Wappens mit. Dort wurde dann das Service in Auftrag gegeben und bei der nächsten Chinareise abgeholt und nach Ostfriesland mitgenommen.

Wenn draußen die Nordsee gegen die Warften tobte, saß in den uralten Friesensiedlungen alles am Torffeuer der Wohnküche beisammen. Kein Blick streifte die Standuhr mit buntgemalten Seejungfrauen, den »Seewiefkes«. Man hatte ja Zeit, unendlich viel Zeit. Man trank Tee, immerzu Tee, so wie man ihn noch heute genießt : In die Tasse kommt zuerst ein großes Stück (Kluntje) Kandis. Das knistert gemütlich, wenn Heike, Imke oder Okka ihren Mannsleuten, dem Nanno, Habbo oder Heiko, den heißen Tee darüber gießen. Während sich die Kanne auf dem Messing-Stövchen wärmt, greift Imke zum runden Löffel mit gebogenem Stiel und schöpft süße Sahne von der Milch. Dieses »Wulkje Room« legt sie dann behutsam auf den Tee, ohne umzurühren, denn er soll vielschichtig schmecken. Nanno sitzt derweil besinnlich im Lehnstuhl und trinkt in kleinen Schlucken. Jedesmal wenigstens drei Tassen, das gilt seit jeher als »Ostfriesenrecht«. Der Kandis löst sich nur langsam auf. War das »Kluntje« groß genug, so reicht es für die ganze Teestunde, doch ein neues »Wulkje Room« kommt bei jedem Nachgießen obendrauf.

Die Grundlage der echten ostfriesischen Teemischungen sind kräftige indische Assams, abgerundet mit Tee aus Java und blumigen, hochgewachsenen Sorten aus Darjeeling und Ceylon. Was außerhalb Ostfrieslands als "ostfriesische" Mischung abgepackt und angeboten wird, entspricht meist nicht diesem originalen Ostfriesentee. Übrigens haben Statistiker herausgefunden, daß die meisten deutschen Hundertjährigen in Ostfriesland leben. Daß dieser Umstand etwas mit ihrer Teeliebe zu tun hat, laß ich mir nicht ausreden.


Teetrinken in Ostfriesland

In Ostfriesland hat sich eine besondere Teemischung breitgemacht. Sie ist den meisten Menschen etwas zu kräftig. Deshalb trinken die Ostfriesen ihren Tee auch auf ihre Art und Weise (sofern sie genug Zeit dazu haben): Sie trinken ihn in der Stuf, sprich im Wohnzimmer. Ungern allein, meistens sind Nachbarn und Freunde da, oder man ist selbst zu Gast. Und dann wird geklönt, gequasselt und philosophiert.

Die Tassen öffnen sich nach oben, es sind eher flache Schalen mit Henkel.

In die Tasse wird ein Kluntje gelegt.

Nun wird der Kluntje zum lachen gebracht! Wirklich, man kann es hören, wenn man den sehr heißen Tee aus der Kanne vorsichtig über den Kluntje gießt.

Die Tasse wird nicht ganz voll gemacht, der Kluntje wird nur gut bedeckt. Und jetzt kommt der Clou: Die Sahne. Sie wird vorsichtig mit dem Löffel oder einer miniatur- Schöpfkelle auf die Teeoberfläche gelegt.

Dort bleibt die Sahne nicht, sondern sie taucht ab. Fast möchte man meinen, sie will prüfen, ob auch ein Kluntje in der Tasse ist. Ist er da, ist alles gut, und die Sahne kommt in kleinen Wölkchen wieder an die Oberfläche.

Ist aber kein Kluntje da, dann kommt auch die Sahne nicht wieder! (Wer kennt eine physikalische Erklärung dafür?)


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